A. Monterroso Checa u.a. (Hrsg.): A Companion to Late Antique and Medieval Islamic Cordoba

Cover
Titel
A Companion to Late Antique and Medieval Islamic Cordoba. Capital of Roman Baetica and Caliphate of al-Andalus


Herausgeber
Monterroso Checa, Antonio; Monferrer-Sala, Juan Pedro
Reihe
Islamic History and Civilization
Erschienen
Leiden/Boston 2023: Brill Academic Publishers
Anzahl Seiten
XX, 506 S.
Preis
€ 170,13
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Nadine El-Hussein, Berliner Institut für Islamische Theologie, Humboldt-Universität zu Berlin

Die Reihe „Islamic History and Civilization“ ist im letzten Jahr um den Band „A Companion to Late Antique and Medieval Islamic Cordoba“ ergänzt worden, in welchem 19 Beiträge zusammengeführt werden. In diesen widmen sich Expert:innen disziplinen- wie epochenübergreifend der Stadtgeschichte Córdobas von der Genese hin zur prestigeträchtigen Hauptstadt der Umayyaden und decken aus archäologischer, kultureller, politischer, rechtlicher, religiöser und sozialer Perspektive ein breites thematisches Spektrum ab. Der Untertitel verweist auf die dem Band zugrunde liegende Periodisierung von „Late Antique“ und „Medieval“: Im Mittelpunkt stehen die Periode vom 3. bis zum 7. Jahrhundert und die Periode des umayyadischen Emirats wie Kalifats, das heißt von der Eroberung der Stadt unter umayyadischer Ägide 92/711 bis zum Niedergang des Kalifats in al-Andalus 422/1031.

Damit ist bereits auf die Zweiteilung des Bandes verwiesen. In den ersten fünf Beiträgen wird das römische und westgotische Córdoba thematisiert. Carlos Márquez und Antonio Monterroso-Checa stellen im ersten Beitrag (S. 1–21) heraus, dass es die verheerenden Folgen eines Erbebens zwischen 260 und 270 waren, die die urbanen Transformationen der spätantiken Stadt für die folgenden 500 Jahre initiierten. Die Prosperität der durch Kaiser Augustus ernannten Hauptstadt der Provinz Hispania Baetica, soziale Strukturen wie Formen politischer Partizipation vom 3. bis zum 5. Jahrhundert thematisiert Sabine Panzram (S. 22–50). In den Quellen der westgotischen Periode tritt Córdoba Mitte des 6. Jahrhunderts auf, als der westgotische König Agila den Versuch unternahm, die Stadt einzunehmen. Die politisch komplexe Gemengelage war von der Konfrontation zwischen König Agila, den westgotischen Rebellen, den lokalen Eliten und dem byzantinischen Kaiser geprägt. Vor diesem Hintergrund argumentiert Jaime Vizcaíno-Sánchez (S. 51–78) auf Grundlage archäologischer Befunde gegen die von Zeit zu Zeit wieder aufkommende These vom „Byzantinismus“ Córdobas. In diesem Zusammenhang stellt Esther Sánchez-Medina (S. 79–96) Aspekte kultureller Verflechtung zwischen westgotischen und hispano-römischen Elementen in den Vordergrund, ein Prozess, der zwischen 589 (drittes Konzil von Toledo) und 654 (Liber Iudicorum) seinen Höhepunkt erreichte. María de los Ángeles Utrero Agudo und Alejandro Villa del Castillo (S. 97–130) gehen in ihrem Beitrag dem christlichen Bildhauereihandwerk nach. Sie zeigen auf, dass Córdoba zwischen dem 6. und 9. Jahrhundert auf Produktionen aus Merida angewiesen war. Ihre Befunde belegen ferner, dass sich Córdoba erst ab dem 7. Jahrhundert, nach Merida und Toledo, zu einem wichtigen Produktionszentrum entwickelte.

Mit dem Beitrag von Xavier Ballestín-Navarro (S. 131–141) wird der zweite Teil des „Companion“ eingeleitet. In seinem Beitrag behandelt der Autor die Zeit des umayyadischen Emirats und diskutiert vor dem Hintergrund einer herausfordernden Quellenlage, durch wen und weshalb die Verlagerung des politischen Zentrums von Sevilla nach Córdoba erfolgte: Der Emir al-Ḥurr (reg. 98/716–100/719) habe mit dieser Entscheidung nicht zuletzt finanzielle und steuerliche Interessen verfolgt. Alejandro García-Sanjuán (S. 142–163) bietet einen wertvollen Überblick über die Darstellung Córdobas in den arabisch-islamischen Quellen vom 2./8. bis zum 7./13. Jahrhundert. Dieser Überblick geht demnach über das umayyadische Kalifat hinaus und schließt die Zeit der Taifa-Königreiche wie der Berberdynastien (Almoraviden und Almohaden) ein. Der Autor zeichnet nach, wie die Erwähnung Córdobas mit derjenigen von al-Andalus in den Quellen koinzidiert, und bemerkt das Schweigen der Quellen über die Einnahme Córdobas (633/1236) durch den König Kastiliens Ferdinand III. Als wichtiger Befund gilt ferner die symbolische Bedeutung der Stadt noch in der almohadischen Periode: Das Herrschaftszentrum der almohadischen Dynastie war Marrakesch, dennoch beabsichtigte der erste almohadische Kalif ʿAbd al-Muʾmin eine Re-Etablierung Córdobas als politisches Zentrum in al-Andalus; eine Unternehmung, die allerdings scheiterte.

Die folgenden Beiträge illustrieren aus verschiedenen Perspektiven, dass es bisweilen schwerlich gelingt, die Geschichte Córdobas von der Geschichte der Umayyaden in al-Andalus zu trennen.

Stadtgeschichtliche Aspekte zur Zeit des Emirats und Kalifats werden in vier Beiträgen untersucht: Die Transformation der Stadt hinsichtlich der Etablierung politischer und administrativer Strukturen beleuchtet Mohamed Meouak (S. 164–185), Alberto León Muñoz und Alberto Javier Montejo Córdoba (S. 186–220) betrachten die urbane Infrastruktur und umayyadische Architektur der „Altstadt“ (al-madīna) innerhalb der Stadtmauern, Juan Francisco Murillo Redondo und María Teresa Casal-García (S. 221–251) behandeln Urbanisierungsprozesse in den Vororten, die durch das Stiftungswesen der Emire und der Elite geprägt worden sind, Antonio Vallejo-Triano (S. 271–303) untersucht, wie sich die Topographie umayyadischer Herrschaft in Madīnat al-Zahrāʾ baulich und zeremoniell manifestierte.

Ebenfalls ist die politisch-religiöse Kultur Córdobas Gegenstand des Bandes: María Antonia Martínez-Núñez (S. 304–336) wertet in ihrem Beitrag epigraphisches Material aus und zeichnet die Herrschaftsevolution und kalifale Legitimation der Umayyaden nach; im Zuge dessen hebt die Autorin die politische wie religiöse Bedeutung der kufischen Schrift hervor.

Auf Grundlage von Daten aus der archäologischen Stätte Cercadilla zeigen María del Camino Fuertes Santos und Rafael Hidalgo Prieto (S. 252–270), dass es sich um eine christliche Nekropole und wahrscheinlich ebenfalls um einen Raum christlich-muslimischer Koexistenz vom 8. bis zum 12. Jahrhundert handelte. José Ignacio Murillo-Fragero (S. 378–405) rekonstruiert die Stufen der Transformation des Convento Santa Clara: Ursprünglich eine Moschee aus dem ausgehenden 10. Jahrhundert, ist diese nach der Eroberung Córdobas in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in eine Kirche umgewandelt worden.

Mit fünf Beiträgen rücken kultur- und kunstgeschichtliche Themen Córdoba als intellektuelles Zentrum, ermöglicht durch die Patronage der umayyadischen Emire und Kalifen, in den Mittelpunkt: José Martínez Delgado (S. 337–352) und Juan Pedro Monferrer-Sala (S. 353–377) beleuchten in ihren Beiträgen sozio-kulturelle Themen, mit Blick auf Akkulturations- und Arabisierungsprozesse: Anhand von Beispielen aus den Bereichen Philologie, Poesie und Recht illustriert Martínez Delgado, wie sich die Integration der jüdischen Gemeinde in Córdoba im kulturellen Kontext des umayyadischen Kalifats vollzog; Monferrer-Sala konstatiert hinsichtlich der vornehmlich fragmentarisch überlieferten Text- respektive Übersetzungsproduktion der arabisierten Christen („Mozaraber“) ein breites Spektrum an intellektueller Betätigung. Auf die intellektuelle Betätigung muslimischer Gelehrter geht einerseits Pedro Buendía (S. 406–436) ein, welcher vornehmlich die dichterische Produktion thematisiert, aber auch Prosa und Geschichtsschreibung nicht unerwähnt lässt. Julio Samsó (S. 437–456) konzentriert sich in seinem Beitrag andererseits auf die Disziplinen Astrologie/Astronomie, Pharmakologie und Medizin. Buchkunst, Elfenbein-, Glas- und Keramikhandwerk sowie die durch die Umayyaden in Córdoba errichteten Kunst- und Webereiwerkstätten beleuchtet José Miguel Puerta Vílchez (S. 457–493). Ein Orts- und Namenregister bilden den Abschluss des „Companion“.

Aus der Lektüre haben sich ein Wunsch und zwei Kritikpunkte ergeben: Die Symbolkraft, bisweilen die „Transzendenz“ Córdobas, ist an verschiedenen Stellen im „Companion“ angesprochen worden (S. 131–132, S. 155–157), sodass man sich einen rezeptionsgeschichtlichen Beitrag zu diesem Aspekt wünscht, der die gebotene Zusammenschau ergänzt und die Bedeutung Córdobas auch in dieser Hinsicht verdeutlicht hätte.

Im Band lassen sich noch Tippfehler (wie zum Beispiel „ntiquity“ (S. 264), statt „antiquity“ oder „Fe“, statt „Fes“ (S. 490)), spanische statt englischer Begriffe („interpretación“, S. 286, Anm. 53) wie eine geringfügig uneinheitliche Umsetzung des Zitierschemas ausmachen. An anderer Stelle tritt eine fehlerhafte Nummerierung der Abbildungen auf (wie zum Beispiel fig. 10, statt 16, S. 394 und S. 398). Diese kleineren Makel beeinträchtigen die Lesbarkeit allerdings kaum.

Bei der Lektüre fällt ferner auf, dass bisweilen noch mit dem irreführenden Begriff „Orthodoxy“ (S. 426, S. 444) operiert wird, wie beispielsweise in Zusammenhang mit der Beschreibung der Berberdynastien: „Under the rule of the Almoravids (1091), Cordoba finally lost its independence as a political entity, while at the same time a heavy cloak of orthodoxy and public morality fell upon official domains.“ (S. 426) Doch verwundert diese Formulierung und vermag die in der internationalen Islamwissenschaft nachgewiesene (und noch stets diskutierte) politische, rechtliche wie religiöse Komplexität der almoravidischen Bewegung nicht abzubilden (und dies gilt für die almohadische Bewegung gleichermaßen). Allgemein wird im Band zu einem erheblichen Teil auf die spanischsprachige Forschung Bezug genommen; insofern ist ein besonders wichtiger Gewinn, dass diese durch den „Companion“ hinsichtlich ihrer Existenz und ihrer zentralen Aussagen einem breiteren Leserkreis bekannt gemacht wird.

Generell gilt: Im Vorwort versprechen die Herausgeber „[…] a compelling account of […] Cordoba’s most important […] facets. Indeed, this volume offers a state-of-the art knowledge on the most outstanding aspects of the city […]“ (S. VIII–IX); und dieses Versprechen wird mehrheitlich eingelöst, mit der erwähnten Einschränkung, dass internationale Forschungsdebatten zu bestimmten Aspekten nicht eingehender rezipiert werden. Der Zuschnitt des Bandes ist gelungen und er bietet einen guten, thematisch vielseitigen Überblick über die Geschichte Córdobas. Die Beiträge sind gut lesbar; versehen ist der Band zudem mit zahlreichen Abbildungen, die die Nachvollziehbarkeit vieler Beiträge erhöhen. Diesem „Companion“ ist zu wünschen, dass er zum Begleiter aller wird, die einen Zugang zur Geschichte Córdobas suchen.

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